Das Öffentliche Recht und die Kunst der Prognose

  • Date: Mar 25, 2019
  • Time: 04:00 PM (Local Time Germany)
  • Speaker: Michael Goldhammer
  • University of Bayreuth
  • Location: MPI
  • Room: Basement

Die Zukunft ist offen! Mal birgt sie großartige Chancen, mal bedrohliche Risiken. Diese Ambivalenz gehört zur Grunderfahrung des Menschen und fordert staatliche Akteure heraus. Vom punktuellen polizeilichen Eingriff bis zum großen Sozialexperiment: staatliche Zukunftsentscheidungen verbessern die Welt, fordern ihre Opfer und beruhen dabei stets auf unsicheren Annahmen über die Zukunft. Der moderne Verfassungsstaat muss die Frage beantworten, ob das geht.

Der Ausgangspunkt des Vortrags (und meiner Habilitationsschrift) ist daher einerseits ein altbekannter. Im ganz großen Maßstab geht es um die Rationalität staatlichen Handelns im Umgang mit der Zukunft. Viele Fachwissenschaften haben hier seit langem eine beeindruckende Kompetenz aufzuweisen. Durchaus noch ungeklärt ist jedoch, was dies für das Recht bedeutet. Mit dem interdisziplinär klingenden Begriff der „Prognose“ betrat das Thema relativ spät die Bühne des Verfassungs- und Verwaltungsrechts, nämlich in den 70er Jahren, im Kontext einer verbreiteten Planbarkeitseuphorie. Diente er zunächst staatsrechtlichen Grenzziehungen, so kann er heute als juristischer Allrounder mit einer Fülle von Zwecken in unterschiedlichen Kontexten gesehen werden.

Die theoretische Aufarbeitung hat mit dieser beeindruckenden Karriere nicht Schritt gehalten. Offensichtlich ist für bestimmte Akteure das Prognoseargument attraktiv, weil es das Verhältnis von Recht und Politik um die Fachwissenschaft erweitert. Und wer hätte etwas gegen gut informierte Entscheidungen? Dies stößt sich aber daran, dass das Recht nur bestimmte Fragen „triggert“. Das Thema hat daher eine originär juristische und eine interdisziplinäre Dimension. In dem Vortrag berichte ich von dem Versuch, die hoheitliche Prognostik mit ihrem eigenen Erkenntnisinteresse zu rekonstruieren und zu zeigen, unter welchen Bedingungen das Recht auf Interdisziplinarität angewiesen ist und wo es eine legere oder gar ignorante Haltung zur Zukunft hat.

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