Gutes besser tun: Klimaschutz und moralisches Denken

Forschungsbericht (importiert) 2024 - Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern

Autoren
Axel Ockenfels
Abteilungen
Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn
Zusammenfassung
Die CO2-Emissionen steigen weiter an, obwohl einige Länder wie Deutschland große Anstrengungen im Klimaschutz unternehmen. Trotz der sich zuspitzenden Klimakrise ist jedoch vielerorts der Anreiz für eine ambitionierte Klimapolitik gering, da noch genügend fossile Energieträger zu relativ niedrigen Preisen zur Verfügung stehen. Und während die Kosten nationaler Klimapolitik konzentriert von wenigen getragen werden müssen, verteilt sich der Nutzen lokaler Klimaanstrengungen global und zeitlich diffus. Was wissen wir über solche Kooperationsprobleme?

Vieles, was wir für den Klimaschutz tun, soll unseren CO2-Fußabdruck reduzieren. Aber oft könnten wir Gutes besser tun. Mit den Ausgaben für Greta Thunbergs Segeltörn nach New York zum Beispiel hätte man bei konservativer Schätzung die tausendfache Menge an CO2 und noch viel mehr einsparen können, wenn man mit diesem Geld Emissionsrechte gekauft und gelöscht hätte. Dennoch wird das intuitiv plausible Ziel, die eigene Klimabilanz zu verbessern, selten infrage gestellt. Dabei kann die moralische Intuition ebenso überzeugend wie trügerisch sein. Ein Grund dafür sind kognitive und motivationale Mechanismen, die manchmal als warm glow bezeichnet werden und verhaltenswissenschaftlich gut dokumentiert sind: Menschen tun, was sich gut und richtig anfühlt. Die Verbesserung der eigenen Klimabilanz ist im Kontext des Klimawandels ein guter Kandidat hierfür. Politik und Wirtschaft heizen diesen warm glow für ihre Zwecke zusätzlich an. Die Manipulierbarkeit unseres moralischen Denkens ist vielfach belegt,[1] das Konzept des individuellen Fußabdrucks wurde nicht zufällig vom Öl- und Energiekonzern BP populär gemacht. Wer lässt sich nicht gerne davon überzeugen, mit seinen Konsum- und Politikentscheidungen zur Rettung der Welt beizutragen?

Doch manchmal ist der warm glow ein schlechter Ratgeber. Das ist beispielsweise bei den sogenannten „Wasserbetteffekten“ der Fall, bei denen die Reduktion von Emissionen an einer Stelle zu einer Erhöhung an anderer Stelle führt. Durch zusätzliche Anstrengungen können zum Beispiel im Stromsektor nicht mehr CO2-Emissionen eingespart werden als durch das europäische Emissionshandelssystem mit seiner Emissionsobergrenze erreicht wird. Durch zusätzliche Anstrengungen werden Emissionsrechte frei, sodass deren Angebot im Emissionshandel steigt, der CO2-Preis sinkt und schließlich die frei gewordenen Emissionsrechte an andere Emittenten verkauft werden. Ähnliche Anreizwirkungen können entstehen, wenn eingesparte fossile Brennstoffe anderweitig verkauft werden, energieintensive Produkte anderweitig hergestellt werden oder durch den Umstieg auf den ÖPNV Platz auf der Straße geschaffen und dadurch neuer Individualverkehr induziert wird. In solchen empirisch belegten Fällen wird zwar die eigene Klimabilanz verbessert, doch die Klima-Altruisten subventionieren so die CO2-Emissionen der Klima-Egoisten. Maßnahmen, die die eigene CO2-Bilanz verbessern, gehen also nicht notwendigerweise mit einer Reduktion der globalen Emissionen einher. Dennoch lassen sich solche Verhaltensweisen auch unter kontrollierten experimentellen Bedingungen beobachten.[2] Entscheidungsträger interessieren sich zuweilen erstaunlich wenig für das Ergebnis ihres sozialen Verhaltens.

Psychologische Studien zeigen, dass wir Menschen dazu neigen, unsere kognitiven Fähigkeiten in erster Linie dazu einzusetzen, unsere moralische Intuition zu verteidigen statt sie kritisch zu hinterfragen. Die Verhaltensökonomik ergänzt, dass es in Fällen, in denen der Einzelne geringen Einfluss hat, nicht unbedingt irrational ist, individuelle Überzeugungen zu pflegen, die sich gut anfühlen. Im Ergebnis kann dies aber zu verheerenden kollektiven Fehleinschätzungen führen. Dieses Dilemma ist beim Klimaschutz nicht anders als etwa bei politischen Wahlentscheidungen.

Kooperation entsteht durch gemeinsames, reziprokes Handeln

Das Klimaproblem ist im Kern ein Kooperationsproblem, für dessen Lösung es nicht ausreicht, auf individuelle, unilaterale Beiträge zu setzen. Für eine stabile Kooperation braucht es vielmehr Reziprozität – weil sie die Kooperationswilligen vor Trittbrettfahrern schützt und vor allem die Egoisten motiviert, zum gemeinsamen Ziel beizutragen. Das gilt sowohl im Kleinen wie im Großen, also beim Abwasch in der Wohngemeinschaft wie bei Handelsabkommen. Länder senken nicht einseitig Zölle in der Hoffnung, dass andere Länder dem Beispiel folgen und dies ebenfalls tun – Zölle werden unter der Bedingung gesenkt, dass die Verhandlungspartner ebenso handeln. Ähnliches gilt für Abkommen zur Rüstungsbegrenzung oder zur Mindestbesteuerung von Unternehmen.[3]

Angesichts der ernüchternden Ergebnisse der auf nationaler freiwilliger Selbstverpflichtung basierenden UN-Klimakonferenzen wurden in den vergangenen Jahren zunehmend reziproke Mechanismen entwickelt und in die Klimadiplomatie aufgenommen. Dazu zählt eine Initiative der Bundesregierung, die auf Erkenntnissen aus Spieltheorie, Experimenten und Simulationen aufbaut und die Idee verfolgt, in einem Klimaclub einen gemeinsamen Mindestpreis für Treibhausgasemissionen auszuhandeln.[4] Auch die geplante Verteuerung CO2-intensiver Importe in die EU, die Länder mit einer weniger ambitionierten Klimapolitik trifft, könnte zu einem wichtigen Hebel reziproker Klimapolitik werden. Aber auch reziproke Belohnungen, beispielsweise aus internationalen Klimafonds, können Anreize für andere Länder schaffen, sich der CO2-Bepreisung anzuschließen.

Das Kooperationsproblem kann auch durch eine beschleunigte Technologieentwicklung entschärft oder sogar gelöst werden. Wenn es gelingt, grüne Energie günstiger zu produzieren als fossile Energie, liegt es im Eigeninteresse von Ländern und Unternehmen, fossile Ressourcen in der Erde zu lassen. Aber auch dafür braucht es intelligente ökonomische Mechanismen: Der Markt schafft von sich aus zu wenig Innovationsanreize, und Patente führen zu hohen Preisen für wenige Nutzer – das Gegenteil dessen, was der Klimawandel erfordert. Ökonomische Innovationen helfen durch neue Anreize und Märkte für Technologieentwicklung, Strom- und Klimamärkte. Der europäische Emissionshandel, die Idee der grünen Leitmärkte, Kapazitätsmechanismen und vieles mehr haben sich als Erfolge modernen Marktdesigns erwiesen und werden zunehmend den Weg in eine nachhaltige Wirtschaft ebnen.

Gutes besser tun

Klimaschutzmaßnahmen müssen sich daran messen lassen, ob sie andere zum Klimaschutz bewegen. Den Klimawandel als kollektive Herausforderung anzuerkennen und zu bekämpfen ist ein Gebot der moralischen Ernsthaftigkeit.[5] Die Wirtschaftswissenschaft kann helfen, Institutionen und Anreizmechanismen zu entwickeln, die Kooperation erleichtern, grünen technologischen Fortschritt ermöglichen und die Märkte fit für den grünen Wandel machen.

Literaturhinweise

Berger, S.; Kilchenmann, A.; Lenz, O.; Ockenfels, A.; Schlöder, F.; Wyss, A. M.
Large but diminishing effects of climate action nudges under rising costs
Nature Human Behaviour 6(10), 1381–1385 (2022)
Ockenfels, A.; Werner, P.; Edenhofer, O.
Pricing externalities and moral behaviour
Nature Sustainability 3(10), 872–877 (2020)
MacKay, D. J. C.; Cramton, P.; Ockenfels, A.; Stoft, S.
Price carbon — I will if you will
Nature 526(7573), 315–316 (2015)
Schmidt, K. M.; Ockenfels, A.
Focusing climate negotiations on a uniform common commitment can promote cooperation.
Proceedings of the National Academy of Sciences  (ePub ahead of print)
Ockenfels, A.; Rostalski, F.
Klimawandel und Verantwortung
Klima und Recht 9, 258-265 (2024)
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