Covid-19 hat negativen Einfluss auf prosoziales Verhalten

Eine Covid-19-Infektion in der Familie führt bei Jugendlichen aus sozioökonomisch schlechter gestellten Haushalten zu einer Verringerung des Vertrauens sowie der Kooperations- und Hilfsbereitschaft

9. November 2021

Covid-19 hat vor allem auf Menschen, die aus ökonomisch schwächeren und bildungsferneren Schichten kommen negative Effekte, wenn es um Gesundheit, Jobsicherheit und Bildung geht – das zeigen Zahlen und Studien aus den vergangenen Monaten. Wie sich die Corona-Pandemie auf prosoziales Verhalten auswirkt, ist bisher hingegen noch weitgehend unbekannt. Wirtschaftsforschende um Matthias Sutter konnten nun zeigen, dass auch prosoziales Verhalten negativ von der Pandemie beeinflusst wird. Und auch hier sind vor allem sozial schwächer gestellte Personen betroffen.
 

Eine Infektion mit dem Corona-Virus innerhalb der Familie führt bei Jugendlichen aus sozioökonomisch schwächer gestellten Familien zu einer drastischen Verringerung des prosozialen Verhaltens. Das heißt, ihre Bereitschaft, anderen Personen zu vertrauen, mit Ihnen zu kooperieren bzw. ihnen zu helfen,  sinkt deutlich. Diese Erkenntnis liefert eine Studie, die der Verhaltensökonom Matthias Sutter, der an den Universitäten Innsbruck und Köln sowie am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern tätig ist, gemeinsam mit einem Forschungsteam der Universität Lausanne und der Toulouse School of Economics durchgeführt hat.

Prosoziales Verhalten wichtig für Erfolg auf dem Arbeitsmarkt

Ursprünglich hatte das Forschungsteam noch vor der Covid-19-Pandemie begonnen, in einer Studie Freundschaftsnetzwerke unter Schülerinnen und Schülern zu untersuchen. Dazu konnten sie bereits im Herbst 2019 in französischen Oberschulen 5.000 Datensätze sammeln. Ihre Experimentenreihe haben die Forschenden schließlich während der Pandemie mit einer geringeren Anzahl derselben Testpersonen wiederholt. Dabei konnten sie einen interessanten Zusammenhang feststellen, der nicht Fokus der eigentlichen Studie war: „Nachdem die Prosozialität bei Jugendlichen mit niedrigem Sozialstatus bereits vor der Pandemie geringer war, zeigen unsere Daten, dass Covid-19-Infektionen in den Familien die Prosozialitätslücke zwischen Teilnehmenden mit hohem und solchen mit niedrigem Sozialstatus noch mal fast dreifach vergrößert haben“, sagt Sutter.

Die Relevanz dieses Ergebnisses sieht der Wirtschaftsforscher vor allem darin, dass prosoziales Verhalten ein entscheidender Faktor im Berufsleben ist. „Für den Zusammenhang zwischen prosozialem Verhalten und dem Erfolg auf dem Arbeitsmarkt gibt es klare Belege aus früheren verhaltensökonomischen Studien. Die Bedeutung dieser Soft-Skills ergibt sich letztendlich daraus, dass es auch im Joballtag darum geht, dass man gut miteinander auskommt“, erklärt Sutter.

Während bestätigt ist, dass die Coronapandemie in sozioökonomisch schwächer gestellten Haushalten zu höheren Mortalitätsraten und häufigeren Jobverlusten führte, werden negative Effekte auf das prosoziale Verhalten erst aus der aktuellen Studie ersichtlich. „Die Vermutung ist, dass diese Entwicklung den betroffenen jungen Erwachsenen langfristig schaden wird und daraus eine zusätzliche Benachteiligung für sie entsteht. Ein Aspekt, der bisher kaum Beachtung in der öffentlichen Diskussion bekommt“, gibt Matthias Sutter zu bedenken.

Vier Experimente, um prosoziales Verhalten zu messen

Insgesamt konnte das Forschungsteam im Rahmen der ersten Befragung im Herbst 2019 Daten von 5.000 Oberstufenschülerinnen und -schülern im Alter zwischen 15 und 17 Jahren aus den drei französischen Regionen Nantes, Montpellier und Créteil erheben. Die Kontaktaufnahme mit denselben Jugendlichen gestaltete sich in der zweiten Welle der Datenerhebung im Mai und Juni 2020 aufgrund der Lockdowns und des damit verbundenen Homeschoolings als schwierig. Schließlich haben 363 Beteiligte aus der ersten Welle erneut an den Experimenten teilgenommen. Das prosoziale Verhalten haben die Forschenden mithilfe vier verschiedener Experimente erfasst, in denen die Fähigkeiten zu vertrauen und zu kooperieren sowie der Grad an Altruismus und Großzügigkeit gemessen wurden.

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